Zürcher Oberländer
März 2012
Vergängliche Körperkunst
FEHRALTORF. Vor neun Jahren gründete Adrian Gsell mit seiner Agentur Putzfrau.ch ein Erfolgsgeschäft. Jetzt hat der Fehraltorfer eine neue Herausforderung. Mit einem Partner führt er die angeblich erste Schweizer Praxis, die ausschliesslich Tätowierungen entfernt.
Tattoos gehören seit Jahrzehnten zu den kontroversesten aller Modeerscheinungen. Die einen tragen sie offenherzig, für andere sind sie ein gut gehütetes Geheimnis. Fakt ist, dass der Körperschmuck seit Langem nicht mehr nur innerhalb einer Randgruppe salonfähig ist. Statistisch gesehen trägt einer von zehn Europäern Tinte unter der Haut. Doch was, wenn die Freundin plötzlich weg ist, ihr Name aber noch auf der Brust prangt? Oder wenn man den Anblick der geschnörkelten Linien oberhalb des Steissbeins nicht mehr erträgt?
Entfernungen mittels Laser haben einen schlechten Ruf. Unzählige Schauergeschichten über vernarbte Haut schüren den Eindruck einer Technik, die weder ausgereift noch sicher ist. Das weiss auch Adrian Gsell. Der Fehraltorfer Geschäftsmann, selbst mit zwei grossen Tattoos verziert, hat sich intensiv mit dem Thema Laserbehandlung auseinandergesetzt. Mitte Oktober hat er gemeinsam mit dem Russiker Patrick Aeberli die Tattooentfernungspraxis GmbH mit Sitz in Fehraltorf gegründet. Die Vision der beiden: Tattoos narbenfrei entfernen und das Jungunternehmen zum eigentlichen Kompetenzzentrum für Tattooentfernungen in der Schweiz machen. Eine Vision, die erfolgversprechend ist.
Feedback aus dem ganzen Land
Dass Gsell und Aeberli heute überhaupt grosse Pläne schmieden können, verdanken sie vor allem dem Zufall. Weil er eine Schattierung am Oberarm entfernen lassen wollte, kam Gsell mit Aeberli in Kontakt. Der ehemalige Tätowierer hatte sich nach zweijähriger Schulung auf die Entfernung von Tattoos spezialisiert. «Patrick machte einen grossartigen Job», erzählt Gsell. «Schon nach der ersten Behandlung war die Schattierung praktisch nicht mehr zu sehen.» Gsell bot ihm eine Business- Partnerschaft an – und legte damit den Grundstein für sein Unternehmen.
Seit Anfang Januar ist die Praxis in Dietlikon in Betrieb. Patrick Aeberli leitet das Geschäft operativ, Gsell zieht im Hintergrund die Fäden und sorgt dafür, dass die Jungfirma wahrgenommen wird. «Das Feedback ist extrem positiv», sagt Gsell. «Menschen aus der ganzen Schweiz rufen uns an, um sich zu bedanken. Und das einzig dafür, dass es uns gibt.» Dabei ist die Konkurrenz gross. Unzählige Tattoostudios haben die Vergänglichkeit ihrer Werke erkannt und sich mit Lasergeräten ausgerüstet. Doch genau darin liegt gemäss Adrian Gsell das Problem. «Heute stehen wir vor der Situation, dass komplexe Behandlungen von Amateuren durchgeführt werden», sagt er. «Ein Laser bietet viele Möglichkeiten, etwas falsch zu machen. Umso wichtiger ist es, das Angebot zu professionalisieren. » Das Marktpotenzial ist gewaltig. «Selbst wenn nur zwei Prozent der tätowierten Schweizer ihr Tattoo entfernen lassen und wir einen Marktanteil von fünf Prozent erreichen, sind das immer noch 800 Kunden», rechnet Gsell vor. «Das entspricht bereits der Kapazität von vier Praxen.»
Garantie als Differenzierung
Um sich von den Mitstreitern abzuheben, tritt das Unternehmen betont selbstsicher auf. Ihren Kunden gegenüber garantiert die Firma, dass Tattoos rückstandslos entfernt werden. Eine riskante Formulierung? «Nein, warum auch? Wir wissen, was möglich ist, und das kommunizieren wir auch», so Gsell. Nebst der Garantie auf eine erfolgreiche Tattooentfernung wirbt die Firma vor allem über den Preis. Kunden bezahlen pro Laserminute den Fixpreis von 9.90 Franken. Die Arbeitszeit des Therapeuten ist kostenlos. Genauso wie die dreiviertelstündige Beratung, die das Unternehmen potenziellen Kunden offeriert. «Dadurch, dass wir uns nur auf Tattooentfernung beschränken, sind die Laser maximal ausgelastet, was zu einer schnelleren Amortisation und damit zu tieferen Kosten führt», erklärt Gsell das Prinzip. Zurzeit ist die Dietliker Praxis noch nicht ausgelastet. Ab 200 Kunden wird das der Fall sein. Spätestens dann will das Unternehmen expandieren und eine weitere Praxis an einem Standort ausserhalb des Grossraums Zürich eröffnen.
Erfolgreicher Strippenzieher
Ob sich die Idee tatsächlich so bezahlt macht, wird sich zeigen. Wer Gsell aber kennt, weiss, dass seine Projekte in der Regel von Erfolg gekrönt sind. Mit Lancierung der Putzfrauenagentur Putzfrau.ch schrieb der Fehraltorfer vor neun Jahren das erste Kapitel einer Erfolgsgeschichte. 15 Agenturen sind in der Schweiz heute aktiv und beschäftigen insgesamt gut 1000 Personen. Ausserdem baute er gemeinsam mit einem Partner erfolgreich ein Portal für Autoleasingverträge auf. Gsell selbst bezeichnet sich als «Macher». Konkret «macht» er aus kleinen Marktlücken grosse Geschäfte. In der Hinterhand hat er diverse weitere lukrative Geschäftsideen. «Aber die lasse ich vorerst ruhen. Schliesslich will ich mich nicht verzetteln.» Dass er sich trotz erfolgreichem Geschäftsgang bei der Putzfrauenagentur jetzt um ein neues Projekt kümmert, liegt an seinem Charakter. Denn ein Verwalter will Adrian Gsell nicht sein. Als die Putzfrauenagentur erfolgreich positioniert war, gab der 43-Jährige die Geschäftsleitung ab, um sich auf die Geschäfte im Hintergrund zu fokussieren. Mit der Tattooentfernungspraxis hat er eine neue Herausforderung gefunden. Eine, mit der ihn persönlich viel verbindet. Und mit der er eine weitere Erfolgsgeschichte schreiben könnte.
Langwierige Behandlung
Der Glauben, dass Tattoos für die Ewigkeit sind, kommt nicht von ungefähr. Beim Tätowieren wird ein Farbmittel mittels Punktierung mit einer Nadel in die mittlere Hautschicht gestochen. Dort wird die Farbe in körpereigene Zellen, sogenannte Makrophagen, eingelagert. Unter den Methoden der Tattooentfernungen ist die Lasertechnologie dominant. Dabei erhitzt ein Laser die Farbpigmente so stark, dass sie zerstört werden. Weil ein Teil der Farbe nach der Behandlung aber erneut eingelagert wird, sind mehrere Sitzungen nötig, bis die Farbe abgebaut ist. Voraussetzung für eine restlose Entfernung ist die konsequente Nachbehandlung durch den Patienten selbst. Je nach Tattoo sind acht bis zwölf Behandlungen nötig. Erfahrungswerte zeigen, dass die Entfernung einer Tätowierung rund viermal so teuer zu stehen kommt, wie das Stechen derselben. Die Intensität der Behandlung ist unter anderem von der tätowierten Körperstelle, den Farbmitteln und vom Hauttyp abhängig. Um die Risiken auf ein Minimum zu beschränken, arbeiten professionelle Anbieter meist mit Hautärzten zusammen. (stk)
Journalist: Stefan Krähenbühl