Tages-Anzeiger
März 2016«Mausi» muss weg
Die Zahl der Tattooentfernungen nimmt konstant zu. Auffallend häufig haben es die Spezialisten mit Permanent Make-up zu tun.«Winona Forever» liess sich der liebestolle Schauspieler Johnny Depp 1990 in den Oberarm stechen, als er noch mit Winona Ryder verlobt war. Vier Jahre später – nachdem er sich von der Schauspielerin getrennt hatte – liess er das Tattoo in «Wino Forever» ändern.
Ein wenig Depp schlummert in vielen Tätowierten: Sie legen sich unter die Rotarymaschine und bereuen die Sticheleien später. Kein Wunder, boomt das Geschäft mit der Tattooentfernung. Bis zu drei Anfragen pro Woche gehen bei der «Laser-Lounge» ein – «obwohl wir keinerlei Werbung für dieses Angebot machen», sagt Geschäftsführerin Esther Sisera-Grob. Insgesamt habe sich die Nachfrage innerhalb eines halben Jahres verdoppelt.
50 Neukunden pro Monat
Bereits ist eine Vergrösserung des Teams ein Thema, weil die Anfragen stetig zunehmen. Dabei wurde die «Laser-Lounge» erst im vergangenen Juli eröffnet. Die vier Mitarbeiter, alles ausgebildeten Lasertherapeuten mit langjähriger Berufserfahrung als Zahntechniker, haben sich auf das Entfernen von Tattoos spezialisiert und eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen. Auch die Tattooentfernungspraxis in Schwerzenbach verzeichnet seit der Gründung vor fünf Jahren konstant steigende Patientenzahlen. «Pro Monat nehmen wir rund 300 Behandlungen vor und verzeichnen zwischen 30 und 50 Neukunden», sagt Praxisleiter Peter Steiner.
Die Praxis hat sich 2011 als eine der ersten weltweit auf das Entfernen von Tattoos spezialisiert und damit einen Trend früh erkannt. «Uns wird die Arbeit wohl nie ausgehen», sagt Steiner. Etwa die Hälfte der 18- bis 25-Jährigen sei heute tätowiert. Im Kanton Zürich allein gebe es über 100 Tattoostudios. «Eine Ausbildung oder ein eidgenössisches Zertifikat für diesen Berufszweig gibt es allerdings nicht. Entsprechend gross sind die qualitativen Unterschiede der Tattoos.»
Die Mehrheit von Steiners Patienten sind denn auch Leute, die mit der Ausführung der Tattoos nicht zufrieden sind, weil der Tätowierer sein Handwerk nicht beherrscht oder sich bei der Zeichnung zu viele Freiheiten genommen hat. Einige haben sich aber auch einfach aus einer Laune heraus oder unter Gruppendruck stechen lassen und wollen den Fehler wieder ausmerzen.
Berufliche GründeEtwa 20 Prozent der Kunden müssen laut Steiner aus beruflichen Gründen ein Tattoo entfernen lassen – so beispielsweise Polizisten, Zollbeamte, Flightattendants, Spitalangestellte oder Mitarbeiter im Aussendienst. «Einige Arbeitgeber sind kulant, was Tätowierungen anbelangt. An Hals, Gesicht und Unterarmen werden sie in manchen Branchen aber nicht gern gesehen.»
Immer öfter wollen Tätowierte auch einfach ein altes Motiv aufhellen, um danach ein sogenanntes Cover-up zu machen, also die Körperstelle neu zu überstechen. In seiner Praxis sei das in etwa einem Drittel der Fälle so, sagt Steiner. Heute gehe der Trend hin zum Gesamtkunstwerk. Das Tattookonzept soll sich über den ganzen Körper erstrecken. Die tätowierten Flächen werden entsprechend immer grösser.
Eine Hitparade der unbeliebtesten Motive gibt es allerdings nicht. Die zu entfernenden Körperzeichnungen sind so verschieden wie die Kunden selbst. «Manchmal sind es schlicht und ergreifend Schreibfehler, welche die Patienten korrigieren wollen», sagt Steiner. Sisera-Grob und ihr Team bekommen viele Jugendsünden zu sehen. So wollte sich ein Mann zum 40. Geburtstag endlich den Delfin von seinem Bauch weglasern lassen.
Selbstverständlich kommt es auch vor, dass jemand wie damals Johnny Depp den Namen der Ex löschen will. Ist «Mausi» aus dem Haus, will man «Mausi» auch nicht mehr auf der Haut. Sisera-Grob erinnert sich an einen Kunden, der mit seiner Freundin in die Praxis gekommen ist. «Der Frauenname, den wir bei ihm entfernt haben, war nicht derselbe wie jener seiner Freundin», sagt sie.
Heikles Permanent Make-upAuffällig ist, dass in beiden Praxen die Zahl der Konsultationen wegen schlecht ausgeführter sogenannter Permanent Make-ups zugenommen haben. Laut Sisera-Grob boome diese spezielle kosmetische Tätowierung im Gesicht, mit der Lidstriche, Lippenkonturen und Brauenkorrekturen vorgenommen werden. Meist würden Kosmetikerinnen diesen Eingriff vornehmen. Der individuelle Geschmack und die aktuellen Modetrends spielen dabei eine grössere Rolle als die Ästhetik. «Die breiten Augenbrauen, die gerade angesagt sind, werden in Kürze nicht mehr in Mode sein. Dann hat man diese Balken aber noch immer über den Augen.»
Die Entfernung solcher permanenter Missgeschicke sei überaus heikel. Insbesondere bei der Augenpartie. Brauen lassen sich laut Sisera-Grob zwar korrigieren, es braucht aber «eine gewisse Leidensbereitschaft». Sie könne daher nur staunen, wie schlecht sich die Leute vor einem Permanent Make-up beraten lassen. «Gerade wenn man im Gesicht Tätowierungen vornimmt, sollte man sich das besonders gut überlegen.»
«Das Problem sind die Farben»In der Tattooentfernungspraxis machen die Konsultationen zu Permanent Makeups inzwischen 15 Prozent aller Anfragen aus. Der Knackpunkt beim Permanent Make-up sei die Farbe, so Steiner. Waren es früher noch reguläre Tattoofarben, kommen heute spezielle Pigmentfarben zur Anwendung, die teilweise Eisenoxid enthalten. Diese verändern sich, wenn sie mit dem Laser behandelt werden. Kommt es zu einer solchen Oxidation, ist es laut Steiner sehr schwierig, die Färbung ganz zu entfernen. Dann könne er auch keine genaue Prognose abgeben, wie viele Behandlungen es dazu brauche. Erschwerend kommt hinzu, dass beim Permanent Make-up die Farben gemischt werden, um einen möglichst passenden Ton zu finden. «Meist mit Weiss. Und genau diese Farbe oxidiert besonders häufig.
Neuer Trend MicrobladingInzwischen ist in der Schweiz aber bereits ein neuer Trend angekommen, der die Tattooentferner beschäftigt: das Microblading, eine spezielle Pigmentiertechnik. Dabei wird die Augenbrauenpartie mit einer feinen Klinge geritzt. In die haarfeinen Ritzen werden die Farbpigmente manuell eingebracht, um die Kontur der Brauen zu verstärken. Die Technik stecke noch in den Anfängen, sagt Steiner. Viele Kunden sind mit dem Resultat der Arbeit nicht zufrieden. «Dementsprechend steigen bei uns seit Monaten die Anfragen.»
Journalistin: Tina Fassbind